200 Teilnehmer bei der ersten saarländischen Fachtagung für Palliative Geriatrie in der Europäischen Akademie in Otzenhausen
Palliative Geriatrie – Luxus oder Lücke im Versorgungssystem? Dieser Frage stellten sich am Freitag, 10. Oktober, die rund 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ersten saarländischen Fachtagung für Palliative Geriatrie in der Europäischen Akademie in Otzenhausen. Ausrichter dieser Tagung war das Caritas SeniorenZentrum Haus am See, wo das Thema „Palliative Care im Altenheim" bereits seit 2006 in Form eines Modellprojektes in den Fokus gerückt ist. Der Begriff steht für eine umfassende Versorgung und Begleitung von unheilbar kranken Menschen. Die Mitarbeiter unterstützen und begleiten Betroffene und Angehörige einfühlsam und lassen sich in ihren Handlungen durch deren körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Bedürfnisse leiten. Die Begleitungs- und Versorgungskonzepte stellen die betroffenen Menschen konsequent in den Mittelpunkt. Christliche Werteorientierung, fachliches Wissen aus Palliativ- und Schmerzmedizin, professionelle palliative Pflege, Psychologie und Seelsorge werden sinnvoll miteinander verknüpft.
Treibende Kraft hinter all dem ist David Fitzpatrick, Fachkrankenpfleger für Schmerztherapie, Onkologie und Palliativmedizin. Die palliative Haltung in die Breite zu tragen war eines der Anliegen der hochkarätig besetzten Tagung, die unter der Schirmherrschaft des saarländischen Gesundheitsministers Andreas Storm stand. Netzwerken, sich gegenseitig unterstützen, Anregungen geben. Das taten sie alle, die hervorragenden Referentinnen und Referenten, von Judith Köhler, Fachkrankenschwester für Schmerztherapie, Onkologie und Palliativmedizin, über das Vorstandsmitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Hospiz, Klaus Aurnhammer, bis hin zu Dr. Marina Kojer, die als Hauptrednerin extra aus Wien eingeflogen wurde.
Die ehemalige Chefärztin an der Abteilung für Palliativmedizinische Geriatrie in Wien sprach über „Achtsamkeit – Die kleine Ethik für jeden Tag im Umgang mit alten und demenzkranken Menschen". In ihrem sehr anrührenden Vortrag warb sie eindringlich für einen respektvollen Umgang mit Demenzkranken und bat immer wieder darum, sich in diese Menschen hineinzuversetzen: „In der Begegnung mit demenzkranken Menschen sind wir nicht nur in unserer professionellen Rolle, sondern auch als mitfühlende Menschen gefordert", sagte sie. „Haltung ist das Rückgrat der Palliative Care. Fehlt sie, dann fehlt das unverzichtbare ‚Heilmittel Mensch‘."
Je stiller und wehrloser ein Mensch mit fortgeschrittener Demenz sei, desto größer sei die Gefahr, dass er wie ein Objekt behandelt wird, sagte Marina Kojer und stellte Fragen, die jeden Pflegenden in seinem alltäglichen Umgang mit Demenzkranken betreffen: Wie berühre ich Menschen mit fortgeschrittener Demenz? Einfühlsam oder mit gleichgültigen Händen? Habe ich vorher mit ihm Kontakt aufgenommen? Habe ich „um Erlaubnis gefragt", bevor ich die Inkontinenzeinlage wechsle? Benütze ich meine Hände, um mit fortgeschritten Demenzkranken zu kommunizieren? Versuche ich über meine Hände Halt und Sicherheit zu vermitteln? „Sie hat uns einen eindringlichen Impuls gegeben, immer wieder genauer hinzuschauen, wie wir uns im Alltag verhalten", meinte eine Teilnehmerin im Anschluss.
Eine ganz andere Sicht bot Klinikclown und Kulturpädagoge Henning Leidinger alias Clown Lolek, der über Humor als Kompetenz im (Pflege-)Alltag sprach. Sein Fazit: Humor erleichtert die Kommunikation, hilft Kontakt aufzubauen, bricht das Eis, nimmt Angst vor dem Unbekannten, gibt Vertrauen. Er baut Spannungen und Ängste ab, ist Ventil für Wut und Ärger, erzeugt ein Wohlgefühl – kurz gesagt: Humor steigert die Lebensqualität.
„Letztlich läuft alles auf das Vergnügen hinaus, dass sich zwei Menschen, die einfühlsam miteinander kommunizieren, gegenseitig bereiten können. Es macht uns glücklich, andere glücklich zu machen. Und warum auch nicht. Wir machen einander so leicht und oft unglücklich, dass das Erzählen von Witzen oder ganz allgemein die humorvolle Kommunikation im ewigen Auf und Ab zwischenmenschlicher Beziehungen ein unverzichtbares Gegengewicht darstellt."
Außerdem stellten Steffi Gebel und David Fitzpatrick ihre Erfahrungen im Haus am See aus der Umsetzung von Palliative Care in der Altenhilfe vor, Judith Köhler sprach über das Thema: „Sterben zulassen – wann darf man im Altenheim sterben?" und Klaus Aurnhammer machte den Abschluss mit seinem Vortrag über spirituelle Bedürfnisse am Lebensende.
Ein Gegengewicht zum anstrengenden Pflegealltag sollte auch die Tombola bieten, für die die Verischerung BUVK drei Preise gestiftet hatte: 3 Teilnehmerinnen dürfen sich nun auf erholsame Stunden und Tage freuen.
Am Ende eines langen und spannenden Tages versuchten Teilnehmer und Referenten Antworten auf die zentrale Frage zu geben: Palliative Geriatrie – Luxus oder Lücke im Versorgungssystem? „Jede Lücke ist eine Chance", meinte Klaus Aurnhammer. Und Judith Köhler ergänzte: „Es ist beschämend, dass wir Lücke und Luxus gegenüberstellen. Für jeden, der in diesem Beruf arbeitet, müssen diese Dinge selbstverständlich sein." Die Leiterin des Hauses am See, Steffi Gebel, sagte: „Es ist eindeutig eine Lücke – ich hoffe, Sie machen sich gemeinsam mit uns auf den Weg, diese Lücke auszufüllen."
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